In loser Folge wird an dieser Stelle über Reisen berichtet werden. Den Beginn macht Dubrovnik. Mitte Dezember besucht, war dieses ansonsten für die Dreharbeiten von Game of Thrones bekannte Küstenstädtchen an der kroatischen Adria und auch für den dadurch ausgelösten Overtourismus, aufgrund eines Billigangebots von Ryan Air (Cyber Monday) eine Reise wert – und brachte die überraschende Erkenntnis: Die Kroaten lassen es partymäßig ordentlich krachen. Fast schon zu viel.
DUBROVNIK – TAG 1: grausliche Überreste einer Party
Es ist 03:16 Uhr – und als 45-Jähriger sollte man schon längst im Bett sein, gerade an einem Freitag. Ich bin in Dubrovnik (Sie wissen schon: bei Game of Thrones haben sie den Walk of Shame hier gefilmt.).
Zwar habe ich mir geschworen, einen großen Bogen um sämtliche Black Friday-Angebote zu machen, aber das Angebot von Ryan Air am Montag drauf – Black Monday, quasi in letzter Sekunde – war dann doch zu verlockend: zwei Nächte in Dubrovnik für unter 100 Euro – ach, das war Booking.com –, der Flug am Freitagabend und am Sonntag zu Mittag zurück (also: zwischen Wien und D.) kostete auch nicht viel mehr.
Natürlich hat Ryan Air Verspätung, soll heißen: ich komme erst knapp vor Mitternacht – um zwei Stunden später als geplant – hier an. Ein Taxi (50 Euro) ausgeschlagen, ein Bus fährt direkt in die Altstadt.
Es ist kurz vor ein Uhr in der Früh – an der bezeichneten Adresse öffnet niemand; ich telefoniere mit London (?) und auch mit meinem Booking.com-Kontakt. Ich läute Sturm. Nichts rührt sich. Hoffentlich antwortet der mir – es ist ja schon in der Früh. Ok, der schreibt mir dann doch: er hat die House Lady jetzt endlich telefonisch erreicht. Ich habe mich schon auf nächtliche Quartiersuche gesehen, das nahegelegene Hilton Imperial wäre es dann wohl geworden. Mir wird dann also doch geöffnet. Die ältere Dame wird zunehmend freundlicher, nachdem ich ihr mitleidhaschend meine Umstände erklär habe. Mir wird ebenerdig das Einser-Zimmer zugewiesen. Zimmer und Haustür stets versperren, fordert die House Lady ein.
Ich habe Kopfweh noch vom Tag davor – und musste nachmittags ein Nickerchen machen; keine guten Startbedingungen für Dubrovnik also – aber: wenn ich schon hier bin, entscheide ich mich: fortzugehen.
Ein kanadischer Obdachloser erklärt mir die kroatische Welt
Und, was soll ich sagen. In der Altstadt, auf der Stradun (übersetzt „Große Straße“; der größten Hauptstraße innerhalb der Altstadt, die den Großteil der Sehenswürdigkeiten versammelt) ist alles voller Müll, Sandler sammeln schon dort und da achtlos weggeworfenes Plastik ein. Warum rennen die alle mit Kroatien-Fahnen herum?
Als ich schon aufgeben möchte: eine junge Dame ist reserviert – muss ich jetzt Schläge ihres Boyfriends befürchten? –, und will mir keine Auskunft geben, auch nicht ein Anfang-20er, der mich schlicht nicht verstehen will, obwohl ich mein bestes Englisch ausrolle.
Fast alle Stände – es ist ja Advent – haben schon zu; es ist 2 Uhr in der Früh, da quatsche ich jemand an, wo ich sehe: der bekommt noch Dosenbier von einem der letzten offenen Stände: und zwar bekommt er das Dosenbier: gratis.
Ich bestelle auch ein Dosenbier – für satte 0,3 Liter muss ich 5 Euro berappen –: kroatisches Bier natürlich.
Der, den ich anquatsche erklärt: er ist kanadischer Obdachloser – und ständig auf Achse; rund um Weihnachten wird er von seinen Kontakten hierorts eingeladen: zum Nächtigen, zum Party machen.
Warum all die Fahnen? Er sagt – ich habe mich noch nicht mal nach seinem Namen erkundigt –, heute ist ein spezieller Tag, die feiern die Unabhängigkeit von den Serben und Montenegrinern, die sie ja bekriegt hatten. Überall in der Stadt sieht man übergroße Karten, die nicht nur die Stätten des UNESCO-Weltkulturerbes bezeichnen, gleich daneben wird meist gezeigt, wo die jugoslawische (wohl besser: serbisch-montenegrinische) Armee Anfang der 90er Jahre in die Stadt reingebombt hat.
Zur Belagerung von Dubrovnik: In der Anfangsphase des Kroatienkrieges, im Juni 1991, belagerte die Jugoslawische Volksarmee (JNA) die geschichtsreiche, einst Ragussa genannte Stadt; diese Angriffe endeten neun Monate später nach einer kroatischen Gegenoffensive. Die Angreifer konnten von den Hügeln hinter D. – beste Positionen für einen Beschuss der Altstadt, muss man zynischerweise den Angreifern zugestehen – vertrieben werden. Während der Belagerung wurden zahlreiche zivile Ziele bombardiert, den – zivilen und militärischen – Toten auf kroatischer Seite wird in einem eigenen Gedenkraum an der Stradun gedacht.
Ich sage zum Kanadier: Während meinereiner aus dieser Generation an Grunge und Nirvana denkt, hattten die damals einen Krieg. Und jetzt feiern sie ihre Unabhängigkeit, daher die kroatischen Fahnen überall.
Aber ich sehe, es wird auch eine Bühne abgebaut: Ja, Thompson hat heute hier gespielt. Thompson? Ich google das später. Der Kanadier erklärt mir, hier, in D., leben normalerweise 40.000 Einwohner, heute waren gleich drei Mal so viele Leute da: wegen des Konzerts, wegen des Unabhängigkeitstages, daher auch die großmächtige Party, daher auch die Verschmutzungen.
„In Croatia you have to marry, to fuck.“
Dann aber meine Frage: Aber, Moment einmal, ich habe für ein Dosenbier – 0,3 Liter – fünf Euronen bezahlt. Und er sagt: Ja, das Durchnittseinkommen hier sei bei 1.000 Euro – wenn man die Miete abzöge, müsse einem einleuchten: der Rest wird versoffen.
Ich schaue nach, laut Statista heißt es dazu: Kinderlose Singles (Alleinstehende) in Kroatien verdienten im Jahr 2023 brutto durchschnittlich rund 17.714 Euro. Vom Bruttojahreseinkommen mussten rund 1.841 Euro an Steuern und rund 3.543 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen entrichtet werden, so dass am Ende ein Nettojahresverdienst von rund 12.330 Euro verblieb. Na gut, lassen wird das einmal so stehen.
Ich frage den Kanadier, der offensichtlich mit der Mentalität hier vertraut ist: Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Kroaten und Serben?
Er sagt: „Zwischen Männern: keiner.“
Und bei Frauen?
Die serbischen Frauen seien viel freizügiger.
Ich frage nach.
Er konkretisiert:
„In Croatia you have to marry, to fuck.“
DUBROVNIK – TAG 2: Überall wird geraucht
Ausschlafen, weil: Jet Lag – und: schon wieder groggy. Immer, wenn ich verreise, erwischt es mich.
Gut, jetzt auf einen Irish Coffee – gezapftes Bier haben sie hier nicht; der Kellner: „I am afraid, life is not always as you wish.“
Ich habe Höhenangst – eine Besteigug der Stadtmauern kommt also nicht in Frage, 15 Euro hätte ich für das historische Museum blechen müssen, also: Nein! (Obwohl ich anderes auch zu dem Preis hätte sehen können.)
Wo haben die bloß ihr Geld her?
Es hat jetzt 14 Grad, 15 Uhr, die Leute sitzen an einem 7. Dezember im Freien – überall wird geraucht.
Die Menschen sind hier sehr harsch, unfreundlich, die Damen sind hübsch, aber unnahbar, und – ein wenig, falsch: sehr sogar – bitchy; sehr viele aufgespritzte Lippen.
Ein 100-Euro-Schein wird hier prinzipiell nicht angenommen (Korrektur: später im abgefucktesten der drei Pubs schon). Der Bankomat würde fürs Geld abheben fünf Euro an Bearbeitungsgebühr verlangen …
Der Kellner hat am Nebentisch serviert, die Bitches haben sich natürlich nicht bedankt.
Sie ignorieren ihn – wie kommen die Kroaten und Kroatinnen dann überhaupt zusammen?
Das Love Museum war leider zu – das hätte ich mir doch sehr gerne angesehen,
„Open Your Mind and Your Trousers“ wird im Irish Pub, während ich Premier League schaue, gespielt; es ist dies – völlig unbemerkt von der Weltöffentlichtkeit veröffentlicht – das 21., gleichnamige Studioalbum von Scooter.
Mit einen völlig verunglückten „Telegram Sam“ (T.Rex), dargebracht von einer kroatischen Coverband verabschiede ich mich aus dem Nachtleben. Im Hilton – zum Pinkeln aufgesucht –, in der Bar sitzt ein einziges Pärchen, einsam und verlassen – das sich beschweigt.
Nachträgliche Gedanken: war doch gut, gleich im Hard Rock Cafe gegessen zu haben; kein McDonald’s im Stadtkern; ein einheitliches Sadtdbild – gerade nach den Renovierungen nach dem Yugoslawienkrieg sieht das alles hier sehr luftig, sehr hell aus.
Nachsatz: Ožujsko (deutsch „Märzenbier“) halte ich für das beste kroatische Bier, nicht Karlovačko-Bier, das wirbt mit „Der Stolz Kroatiens“.